Wer wir sind und woher wir kommen

Karin und ich sind waschechte Westfalen, schlimmer noch: Sauerländer - Heinrich Lübke seligen Angedenkens. Die eine ist in der Bergstadt Lüdenscheid aufgewachsen (spricht sich Lüden-skait), der andere im von der Lenne durchflossenen Werdohler Talkessel; sie als Tochter eines Drogistenehepaares, er als Kohlenhändlerssohn. Also viele Gemeinsamkeiten: Kleinbürger, Provinzler, Geschäftshaushalt, sogar bezüglich der religiösen Sozialisation als Mitglieder der ABC – „Aktion Bewußter Christen“ bzw. CVJM – „Christlicher Verein Junger Männer“.

Karin konnte ihr Abitur in Lüdenscheid machen, übrigens mit Hebräisch im Wahlfach, unterrichtet von ihrem Gemeindepfarrer, der uns Jahre später auch getraut und die zugehörige Predigt mit Latein, Hebräisch und Griechisch aufgepeppt hat. Mann oh Mann, was habe ich für ein - angestrengt - intelligentes Gesicht gemacht, 30 endlos lange, schweiß-überströmte Minuten lang fürchtend, ich solle das doch mal eben übersetzen!

Selber bin ich bis zur Mittleren Reife im Heimatort zur Schule gegangen und dann nach Hagen aufs Fichte-Gymnasium gewechselt. Das Großes Latinum habe ich dort ebenfalls erworben (auf dem Paper wenigstens), Griechisch und Hebräisch aber erst auf der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal, meiner nächsten Station.

Karin hat sofort an einer „richtigen“ Uni studiert, nämlich Anglistik und Geschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, ich dann im Anschluß an den obligatorischen „Spracherwerb“ Evangelische Theologie an der Philipps-Universität Marburg.

Am 9.Oktober 1971 haben wir uns „offiziell“ kennen- und liebengelernt (das ging ruckzuck) – noch heute begehen wir dieses Datum, meistens mit einem Abendessen in einer gemütlichen Lokalität (deren es hier in Schweden allerdings mangelt bzw. weite Anfahrtswege erfordert).

Karin ist recht bald zu mir nach Marburg gezogen, wo wir zwei Jahre später unsere Hochzeitsnacht verbracht haben, von der ich nur soviel erzählen will, daß wir im Morgengrauen von der Familienfeier in Lüdenscheid eintrafen und ich - weil unsere Wirtin die Haustür versehentlich mit Kette abgesperrt hatte - durch ein halb offenstehende Kellerfenster regelrecht ins Haus einbrechen mußte, kopfüber nach innen, den Hintern von draußen nachziehend. Nach vollzogenem „Bruch“ habe ich Karin traditionsbewußt, romantisch und, wie ich gestehen muß, ein wenig ächzend die Treppe hinaufgetragen, um sie und mich hernach unverzüglich wieder hinunterzuscheuchen zwecks Ausladens der zahlreichen Hochzeitsgeschenke aus unserem Peugeot 204.

Das weitere im Telegrammstil, bevor es langweilig wird:

  • 1975 Universitäts-Examen, anschließend Vikariat in Schwalbach-Limes plus Zusatzausbildung am Zentrum für Psychiatrie in Frankfurt (Karins running gag: „Mein Mann ist in der Psychiatrie“, gefolgt von ebenso betretenem wie beredtem Schweigen).

  • 1978 Geburt unserer Tochter Sabine in der Frankfurter Uni-Klinik.

  • 1978 Erste Gemeindepfarrstelle in Biedenkopf, dort Referendariat von Karin und 1980 Familienzuwachs durch Sebastian.

  • 1981 Wechsel in die Landgemeinden Sickenhofen und Hergershausen. Hier war Karin von Beginn an die „Frau Pfarrer“ und hat diese (natürlich ehrenamtliche) Rolle auch mit prallem Leben gefüllt als Leiterin von Kindergottesdienst, Mädchenjungschar und Flötenkreis, Mitglied im Kirchenchor, pädagogische und „Anstandsbegleitung“ in Personalunion auf Konfirmandenfreizeiten, seelsorgerliche Ansprechpartnerin für sublime „Frauensachen“ und und und.

  • 1988 Nach Beendigung ihrer freiwilligen (und unbezahlten) Erziehungsdekade beginnt für Karin der berufliche „Ernst des Lebens“ als (zuletzt) Oberstudienrätin an der Maria-Ward-Schule in Aschaffenburg, wo sie sich ganz besonders für den Schüleraustausch mit England und Polen engagiert hat.

  • 2001 übernehme ich mit jeweils halber Stelle die (neugegründeten) Pfarrämter für Notfallseelsorge im Dekanat Vorderer Odenwald und Polizeiseelsorge in Südhessen.

  • 2014 Unser beider dankbarer (!) Eintritt ins Rentner- bzw. Pensionärsdasein. Das mancherlei angedrohte Schreckensszenario des Verlustes von Amt und Würden gepaart mit unausgefüllter, unstrukturierter Zeit ging bis dato unbeschadet an uns vorüber – möge es so bleiben!